St.Galler Nachrichten: 30. Mai 2018 (René Alder)

«Jugo» mit politischer Stimme


Politische Partizipation ist wichtig, um Migrantinnen und Migranten eine Stimme zu geben. Im Stadtparlament übernimmt Vica Mitrovic diese Rolle. Es ist eine Arbeit in kleinen Schritten, die er aber mit Konsequenz und Nachdruck verfolgt. Als Migrant der ersten Generation aus Ex-Jugoslawien kennt er die Probleme der Menschen, die in die Schweiz eingewandert sind.

Vica Mitrovic ist auch Buchautor und setzt auf Literatur bei der Integration.
Vica Mitrovic ist auch Buchautor und setzt auf Literatur bei der Integration. (Bild: René Alder)

Integration Migranten haben in der ersten und zweiten Generation nicht immer einen leichten Stand. Fremdes wird in der Schweiz erst einmal misstrauisch beäugt. Das mussten die Italiener und die Tamilen in der Schweiz erfahren. Heute sind diese beiden Migrationsgruppen in der Diskussion verschwunden. Sie sind ein Teil der Gesellschaft geworden. Das klappe auch mit den Leuten aus dem Balkan, versichert Mitrovic es gehe einfach etwas länger. «Wenn man ehrlich ist, dann muss man sagen, dass viele von uns wohl vier Generationen brauchen, bis sie endgültig in der Schweiz angekommen sind. » Doch das ist nur eine Seite. «Wir zahlen zwar Steuern und leisten täglich unseren Beitrag an das Gedeihen der Schweiz, doch oft gelten wir als Bürger zweiter Klasse und werden in unserer menschlichen Würde verletzt. » Integrieren statt ausgrenzen, Fähigkeiten nutzen statt diskriminieren der Weg für Mitrovic ist klar. Er hat sich für die linke politische Seite entschieden, war Gewerkschafter in St.Gallen und Wil und hat dort auch seinen Mentor gefunden: Ueli Stoffer von der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI). «Von ihm habe ich unglaublich viel gelernt», meint Mitrovic. Doch er schaut auch gerne über den eigenen Tellerrand hinaus und pflegt parteiübergreifende Freundschaften. «Karin Winter-Dubs von der SVP ist meine beste Kollegin im Stadtparlament», zeigt sich der Ostserbe und Schweizer offen beides ist ihm wichtig. Er ist ein Wanderer zwischen den Welten, kennt die Schweizer Mentalität und weiss, wie die Menschen aus dem Balkan ticken. Diese sind für ihn politisch zu wenig organisiert. «Wir müssen wieder lernen, gemeinsam politisch zu handeln.»

Wenig Hoffnung

«Der West-Balkan ist total kaputt» resümiert der Stadtpolitiker. Der frühere jugoslawische Diktator Tito hat ihn geprägt. Tito war der einzige kommunistische Staatschef, der Stalin die Stirn bot. Auch der Westen sympathisierte mit ihm. Und wenn sich ein Helmut Schmidt gerne mit einem zeigt, bedeutet das einiges. Eine ambivalente Person: Denn es gab keine Redefreiheit. Andererseits war Jugoslawien äusserst offen, was Visum-Politik betraf. Auch Tito praktizierte brutale Methoden, doch er ist wird nicht nur in der Erinnerung nicht nur von Mitrovic positiver dargestellt, als es viele Gegner sagen. Mitrovic hat in Belgrad Politologie studiert, ist 1986 in die Schweiz gekommen. Dabei teilte er das Schicksal von vielen: Gutes Studium in der Tasche, nützt hier aber nichts. Deshalb schlug er sich drei Jahre lang als Hilfsarbeiter durch, kennt die Arbeitswelt von vielen Migranten aus eigener Erfahrung. Er redet auch vom «Homo Helveticus» und dem «Homo Balkanikus». Zwei Mentalitäten, zwei Weltbilder, zwei Wertehaltungen. Dass diese immer mehr verschmelzen, das ist die Aufgabe von Vica Mitrovic. Es ist eine Politik der kleinen Schritte, die aber immer wieder Früchte trägt.

Die Amtsstuben

Mit seiner «Mitra-Beratung» an der Rosenbergstrasse erleichtert der aktive Mensch vielen Balkan-Stämmigen das Leben. Auch wir Schweizer verlieren uns manchmal in den Amtsstuben, für Fremdsprachige ist auch das Amtsdeutsch oft zum Verzweifeln. Für ihn ist «Jugo» übrigens kein Schimpfwort, sondern er steht dazu. «Die Sprache, die Geschichte und die Kultur von Jugoslawien sind ein Teil von mir und ich bin stolz darauf. Jugoslawien hat damals auch nicht alles falsch gemacht», zieht der Berater Bilanz. Die Neigung zur Gewalt ist ein heikles Thema, doch auch diesem Punkt weicht der Stadtpolitiker nicht aus. Die «Blutrache» etwa ist ein Thema, das in der Schweiz schockiert. Mitrovic hat übrigens schon das zweite Buch geschrieben: «Warum Männer weinen». Er zeichnet dabei ein anderes Bild der gegen aussen oft harten Männer. Denn gerade die ganz Harten seien in schwierigen Situationen nahe am Wasser gebaut. Auch literarisch lässt Mitrovic aufhorchen. Schon sein erstes Buch spielte in einem Gefängnis. Die Symbolik dahinter ist klar. Und die «Balkan-Route» gibt es nicht nur flüchtlings- sondern auch drogentechnisch. Es gibt also noch einiges zu tun Vica Mitrovic bleibt dran. Ein «Jugo* mit politischer Stimme es dürften ruhig noch ein paar mehr sein.

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