Tagblatt: 22. Juni 2018 (Alexandra Pavlović)

Vor dem Serbien-Spiel: «In mir schlagen zwei Herzen»


Vića Mitrović ist einer von 1384 serbischen Staatsangehörigen, die in der Stadt St.Gallen leben. Der Politiker stammt aus Serbien, seine Heimat ist aber die Schweiz.

Schweiz gegen Serbien – für manch einen ist das heutige WM-Spiel ein ganz besonderes. Man fiebert nicht nur für die Schweiz, sondern auch für den Balkanstaat. Wie etwa Vića Mitrović. Der 57-Jährige ist gebürtiger Serbe, seit 20 Jahren besitzt er den Schweizer Pass und sagt über sich: «In St. Gallen will ich sterben, in Serbien begraben werden.» Ein Satz, der sinnbildlich für die zwei Herzen in seiner Brust steht.

Der 57-jährige Vića Mitrović hofft auf ein 1:1-Unentschieden.
Der 57-jährige Vića Mitrović hofft auf ein 1:1-Unentschieden. (Bild: Michel Canonica)

Aufgewachsen in eher einfachen Verhältnissen, zog es Mitrović als jungen Mann nach Belgrad. An der Universität studierte er Politik, ehe er 1986 in die Schweiz kam, um seinen Cousin zu besuchen. Hier blieb er hängen. «Als junger Mann suchst du ständig einen guten Platz unter der Sonne. In St. Gallen habe ich diesen gefunden. Ich verdanke der Schweiz viel», sagt Mitrović.

Ein Hauch Balkan im Waaghaus

Der studierte Politologe arbeitete zu Beginn seiner Ankunft drei Jahre lang als Hilfsarbeiter in Fabriken, ehe er Sekretär der Gewerkschaft GBI/Unia St. Gallen und Wil wurde. «Mein Wunsch war es, eines Tages in der Politik tätig zu sein. Ich habe alles dafür gegeben», sagt Mitrović. Sein Ehrgeiz zahlte sich aus. An einer Podiumsdiskussion in Wil lernte er Barbara Gysi kennen und trat der SP bei. Sie förderte ihn nicht nur, sondern ist bis heute seine Mentorin. Im Juni 2010 schaffte es Mitrović schliesslich als erster «Jugo» ins St. Galler Stadtparlament. Seither weht ein Hauch Balkan im Waaghaus.

Am Wort «Jugo» stört sich Mitrović nicht, im Gegenteil. Er habe kein Problem damit, wenn ihn Schweizer oder seine Landsleute so nennen. «Ich bin ein Jugo und stolz darauf. Und wir aus dem Balkan haben nun mal eine gemeinsame Vergangenheit, ob wir Serben, Kroaten, Bosnier oder Albaner sind. Das muss man nicht verleumden.» Ein mulmiges Gefühl für das heutige Spiel empfindet er daher nicht. Er glaube auch nicht, dass es wegen der vielen albanischstämmigen Spieler in der Schweizer Nati zum Eklat komme. «Die Spieler sind Profi genug, ihnen geht es einzig um den Fussball», sagt er. Das habe sich auch in den serbischen Medien gezeigt. «Viele serbische Spieler gehen nicht gross auf die medial aufgebauschten Geschichten ein. Wer genau liest, der erkennt, dass es den Spielern egal ist, welche Flaggen auf Xherdan Shaqiris Schuhen drauf sind.» Die Fussballer wollen sich lieber auf dem Platz beweisen. Dennoch: Mitrović stört sich daran, dass auch die hiesigen Medien immer wieder den «Hass» zwischen den Nationen befeuern. Politik habe im Sport nichts zu suchen und das soll auch so bleiben.

Anerkennung durch den Fussball

Seinen Landsleuten traut Mitrović an der WM einiges zu. Im derzeitigen Team gibt es viele junge Serben, die hungrig nach Erfolg sind. «Das Land bietet ihnen kaum Möglichkeiten, sich zu entfalten. Im Fussball ist das anders. Wer hier hart an sich arbeitet, der kann es zu etwas bringen.» Mit Matić, Tadić, Milinković-Savić oder auch dem Rorschacher Prijović sei der Sturm stark besetzt. Dagegen habe die Schweiz aber eine sehr gute Abwehr, es werde ein hart umkämpftes Spiel. «Ich wäre mit einem 1:1-Unentschieden sehr glücklich. Schliesslich schlagen in meiner Brust zwei Herzen. Eines für die Schweiz, eines für Serbien.»

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